Vor Antritt seiner NOMIS Fellowship unterrichtete und forschte Philipp Ekardt am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der FU Berlin, als Mitglied des Bilderfahrzeuge-Projektes an der University of London / The Warburg Institute und war Chefredakteur der Zeitschrift Texte zur Kunst. Seine erste, in Teilen auf seiner an der Yale University geschriebenen Dissertation basierende, Monographie Toward Fewer Images. The Work of Alexander Kluge ist als OCTOBER Book bei MIT Press erschienen. Zur Zeit stellt er sein zweites, bei Bloomsbury Academic verlegtes Buch fertig, das Walter Benjamins Modetheorie, inklusive deren Implikationen und Beziehungen zur Modekritik ihrer Epoche, Momenten in der Geschichte der Pariser couture, sowie ihren Verbindungen zu soziologischen und morphologischen Theorien rekonstruiert; in dem u.a. eine Neubewertung des ästhetischen Begriffs Eleganz erfolgt; und in dem Mode als epistemisches Objekt verstanden wird, das es Benjamin ermöglichte Fragen von Zeitlichkeit, Geschichte und Material neu zu durchdenken.

Philipp Ekardt hat in den letzten Jahren auch als outside thesis advisor einzelne Abschlussarbeiten am Department of Classics des University College London, sowie am Bard Center for Curatorial Studies (NYC) betreut, und in kleineren Formaten an UCL und bei EIKONES unterrichtet, wo er mit dem inzwischen ehemaligen Mitglied Rahel Villinger ein Sommerschulenseminar konzipierte und leitete. Vorträge führten ihn an internationale Universitäten und Kulturinstitutionen wie Cambridge, Central Saint Martins, the Courtauld Institute, Leiden, Museum Ludwig Köln, Oxford, Princeton, UCL, das Warburg-Haus Hamburg, das Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin, und andere. 

Ein einflussreiches Modell, die Beziehung zwischen Geste und Bild zu konzipieren, basiert auf dem Moment der Unterbrechung. Die Bedingungen für die Erscheinung von Gesten bestünden demzufolge darin, dass die potentiell expressive Bewegungen eines Körpers entweder angehalten oder segmentiert werden; umgekehrt markiere solche Emergenz von Gesten jenen Moment, in dem die anderweitig flüchtige Bewegung einschliesslich ihrer affektiven und ästhetischen Qualitäten in Bildern aufgezeichnet bzw. überhaupt Bild werden können. Ein deutliches Erbstück des medientechnologischen Moments der Photographie, setzt die hier entwickelte Logik nicht zwangsläufig eine vollständige Arretierung von Kinesis in Stasis voraus; die erwähnte Segmentierung kann sich auch in technologisch verzeitlichten Medien (Film) abspielen. – Dieses Modell hat, im Nachgang seiner medienhistorischen Dominanz, prominente Vordenker in Benjamin, Brecht, Warburg, ihren Leserinnen und Lesern, aber auch in jüngeren Ansätzen wie z.B. der Medienarchäologie gefunden.

Mein Projekt (Arbeitstitel: Assemblagen und Kompositionen. Bildmodelle bei Goethe und Emma Hamilton jenseits der Unterbrechung) widmet sich der Epoche um 1800, insbesondere Schriften Goethes und den sogenannten attitudes der Lady Hamilton, um hier eine historische Formation, vielleicht sogar ein eigenständiges epistemisches Modell zu untersuchen, in dem wir eine überraschend abweichende Logik der Konfiguration von Bewegung, Geste und Bild antreffen. Einen Hauptansatzpunkt bilden die Schilderungen der tableaux vivants in Goethes Roman Die Wahlverwandtschaften (1809), die in der Forschung wiederholt als Beispiele der Bildproduktion über den Weg der arretierten Bewegung beschrieben worden sind. In einer Lektüre von Goethes Text sowie in der Betrachtung verschiedener medialer und historischer Kontexte arbeite ich statt dessen Prozesse der Zirkulation und (Re-)Assemblage von Materialien, sowie die Aktivität und den ihr korrespondierende ästhetischen Begriff der Komposition heraus, die wesentlich für die Formierung der tableaux sind. Parallel erprobe ich die Hypothese, dass die den tableaux ungefähr zeitgenössische von Emma Hamilton entwickelte Kunstform des Posierens in attitudes, die ihrer Schöpferin europaweite Berühmtheit brachte und die Goethe in der Italienischen Reise beschreibt, sich ebenfalls der Logik der gestischen Arretierung entzieht. Um die außerordentliche Stabilisierungsleistung dieser anderweitig flüchtigen Bewegungspraxis zu verstehen, stelle ich sie in den Zusammenhang des konzeptuellen wie visuellen Schematisierungsmechanismus der Kontur; einem ästhetischen Begriff, der sich bei Goethe und seinen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen bis in die Romantik findet. Es handelt sich auch um ein wesentliches formales Attribut des neoklassischen Stilmilieus, in und aus dem heraus Hamilton ihre Aufführungen entwickelte; sowie um ein zentrales Merkmal des Mediums des Umrisstiches, in dem ihre atittudes stabil und kompakt übertragen wurden.

Das Projekt antwortet in Teilen auf neuere aus dem Bereich der Kulturtechnikforschung kommende, in Anschluss an Latours Wissenschaft der Assoziationen formulierte Anregungen, material-mediale Aggregate daraufhin zu untersuchen, wie hier Stabilität erzeugt wird, anstatt das Modell der Diskontinuität in den Vordergrund zu stellen. Goethes Texte und Hamiltons Aufführungspraxis erlauben es, ein Modell zu denken, in dem Gesten als Posen komponiert werden und in dem Bilder weiterhin an Ruhepunkten aufscheinen, an denen aber nicht körperliche Bewegung angehalten, sondern die Zirkulation von Materialen, Objekten, Medien etc suspendiert wird. Im Rückgang auf Goethes Roman gilt es schliesslich, der Funktion nachzugehen, die Komposition in der Konstruktion eines Textes hat, der von solcher Bildproduktion Auskunft gibt.

 

 

 

 

 

 

 

Ekardt